Interview zum Prüfungsrecht
Ein Interview mit Rechtsanwalt Marian Lamprecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Experte zum Prüfungsrecht. Herr Lamprecht ist Rechtsanwalt der Berliner Kanzlei BUSE HERZ GRUNST Rechtsanwälte und seit über 10 auf das Hochschulrecht spezialisiert.

Marian Lamprecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sehr geehrter Herr Lamprecht, welche Möglichkeiten gibt es gegen eine schlechte Studiennote vorzugehen?
Es kommt natürlich immer darauf an, was im Einzelnen schief gelaufen ist. Ob es ein formeller Fehler war, der vielleicht von der Hochschule anerkannt werden kann oder ob es wirklich tiefgreifend um einzelne Fragestellungen innerhalb einer Klausur oder Arbeit geht. Daher gestalten sich die Vorgehensweisen unterschiedlich, man sollte sich jedoch zumindest dagegen wehren und sich nicht darauf verlassen, dass man es im nächsten Prüfungsversuch doch noch schaffen könnte, wenn es denn noch einen nächsten Prüfungsversuch gibt. Wenn der Fall also eingetreten ist, sollte man sich sofort darum kümmern. Zunächst ist es ratsam das Gespräch mit dem Prüfer zu suchen und notfalls von seinem Recht Gebrauch zu machen, die Klausur oder Arbeit einzusehen. Wenn man dabei selbst Probleme in der Beurteilung erkennt, sollte man sich mit einem Anwalt in Verbindung setzten.
Gegen welche Prüfungsleistungen kann man vorgehen?
Man kann grundsätzlich gegen alle Prüfungsleistungen vorgehen, soweit sie entscheidungserheblich für das berufliche Weiterkommen sind. Ich gebe mal ein Beispiel aus dem Schulrecht: Im Schulrecht ist es dem Schüler versagt gegen einzelne Noten außerhalb des Abiturs vorzugehen, da sie sich nicht auswirken. Wenn sich nun aber etwas rechtlich nicht auswirkt, hat man kein Rechtschutzbedürfnis und kann dagegen nicht vorgehen. Innerhalb einer Prüfung liegt jedoch eine andere Konstellation vor. Hier müssen bestimmte Prüfungsleistungen erbracht werden. Die Hochschulen räumen den Studierenden dafür in der Regel verschiedene Prüfungsversuche ein. Insofern hat man natürlich das Recht gegen diese auch vorzugehen und die Prüfungsentscheidung überprüfen zu lassen.
Wie hoch sind die generellen Chancen dieser gerichtlichen Verfahren?
Das kann man so pauschal nicht sagen, die Chancen können ganz verschieden ausfallen. Es hängt notwendigerweise wiederum davon ab, was an dem Prüfungsverfahren beanstandet wird. Wenn es nur darum geht, formelle Fehler wie das Laden zu einer Prüfung zu rügen, stehen die Chancen nicht schlecht, mit der Hochschule direkt eine Einigung zu erzielen oder das diese vielleicht doch noch einlenkt. Ansonsten sind Prüfungsverfahren relativ schwierig, denn im Prüfungsrecht kommt es nicht darauf an, ob man etwas besser hätte beurteilen können. Es existieren immer Prüfer, die eher hart korrigieren und andere, welche eher zurückhaltend sind. Aber darum geht es im Prüfungsrecht gerade nicht. Den Prüfern wird ein gewisser Beurteilungsspielraum zugestanden. Diesen haben sie laut Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nur verlassen, wenn beispielsweise sachfremde Erwägungen angestellt oder allgemeine Bewertungskriterien verletzt wurden. Aber genau solche Fehler sind im Prüfungsrecht schwierig nachzuweisen, in der mündlichen noch viel mehr als in der schriftlichen, weil in der mündlichen Prüfung „nur“ das Protokoll vorliegt, aus dem man nicht so viel entnehmen kann, wie vielleicht aus den Randbemerkungen zu einer Klausur oder entsprechenden Arbeit, wie einer Hausarbeit.
Mit welchem Ergebnis kann man bei einem positiven Ausgang des Verfahrens rechnen? Muss man dann die Prüfung wiederholen oder bekommt man eine bessere Note?
Das hängt davon ab, inwieweit die Prüfungsleitung noch bewertet werden kann, wenn der Fehler nicht vorgelegen hätte. Ganz klar, wenn ich nicht ordnungsgemäß zur Prüfung geladen oder durch Lärm an der Prüfungsarbeit gehindert wurde, kann die Prüfungsleistung nicht willkürlich festgelegt werden. Man kann jetzt nicht sagen, wenn der Lärm nicht gewesen wäre, wäre die Benotung um 2 Punkte besser ausgefallen, dass geht natürlich nicht. Folglich würde in diesem Fall eine Wiederholung der Prüfungsleistung erforderlich werden. Die andere Verfahrensvariante ist darauf gerichtet, besagte Fehler geltend zu machen, die daraus bestehen, dass der Prüfer innerhalb des Prüfungsverfahrens seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat. Bei dieser Fallkonstellation kann der Prüfer erneut über die Prüfungsleitung entscheiden. Dass bedeutet, wenn er beispielsweise eine Fragestellung als falsch bewertet hat, obwohl diese Frage zumindest vertretbar als richtig zu bewerten wäre, kann die Prüfungsleitung unter Berücksichtigung dieses Fehlers erneut beurteilt und unter Umständen ein neues Ergebnis erzielt werden. Im Großen und Ganzen hängt es davon ab, ob die Prüfung wiederholbar ist oder ob man die Bewertung nach oben setzten kann.
Und mit welchen Kosten ist bei solchen Verfahren zu rechnen?
Auch das ist ganz unterschiedlich. In diesen Verfahren macht es wenig Sinn, auf eigene Faust „zu ermitteln“ und Prüfungsleitungen allein anzufechten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, sich frühzeitig um anwaltlichen Beistand zu bemühen. Zum Einen da der Anwalt weiß, worauf es ankommt und mit den speziellen Fragen des Prüfungsrechts vertraut ist. Ihm sind die Probleme geläufig und er kann Fragen viel leichter beantworten und nach Fehlern suchen. Das ist für jemanden, der sich mit der Materie nicht auskennt fast unmöglich. Andererseits spielt es bei der Kostenfrage auch immer eine Rolle wie aufwendig es ist gegen die Entscheidungen vorzugehen. Wenn ich beispielsweise mit einem juristischen Staatsexamen zum Anwalt gehe, in dem vielleicht 8 Klausuren geschrieben werden müssen und der Anwalt diese Klausuren überprüfen soll, dann ist das natürlich aufwendiger als wenn es einen Multiple Choice Test Gegenstand des Verfahrens ist, indem es um eine einzelne Frage geht. Letztendlich ist das eine Sache, die mit dem Anwalt besprochen werden muss. Dieser wird den Aufwand abschätzen und die Kosten dafür entsprechend mitteilen. Dann kann man immer noch entscheiden, ob man bereit ist dagegen vorzugehen oder nicht.
Wie lange dauern diese Verfahren?
In diesem Prüfungsverfahren muss man regelmäßig Widerspruch einlegen. Sollte die Hochschule nicht bereit sein, darauf zu reagieren, ist gerichtlich mit einem Klageverfahren gegen sie vorzugehen. Im Verwaltungsrecht dauern die Klagen im Allgemeinen sehr lange. Daher ist es in vielen Fällen zwingend erforderlich, neben dem Klageverfahren auch das Begehren in einem gerichtlichen Eilverfahren durchzusetzen. Aber auch bei einem Eilverfahren ist mit einer Mindestdauer von 3 bis 6 Monaten zu rechnen.
Wenn es eine ganz erhebliche Prüfung war, muss ich dann das Studium aussetzten oder kann man weiter studieren?
Ein Aussetzen ist nicht notwendig. Man kann wie gewohnt am Studienablauf teilnehmen, da das Verfahren eine sogenannte „aufschiebende Wirkung“ entfaltet. Das bedeutet, dass zwar möglicherweise ein Bescheid existiert, durch den Widerspruch und die vielleicht anschließende Klage, wird man aber so gestellt, als ob diese Entscheidung noch nicht da ist.
Mit anderen Worten, selbst wenn es sich um ein endgültiges Nichtbestehen handelt, besteht die Möglichkeit weiterhin zu studieren. Sollte nun im Nachhinein festgestellt werden, dass die Entscheidung zu Recht ergangen ist, hat man zwar umsonst weiter studiert. Wenn man aber gewinnt, hat man beim Studium nicht weiter verloren.
Hat man nach ihrer Erfahrung mit Repressalien der Professoren oder Prüfer bei solchen Verfahren zu rechnen oder ist es schon allgemein anerkannt, dass man auch mal mit seinem Rechtsanwalt zur Universität kommt?
Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Von der rechtlichen Seite betrachtet, sind natürlich keine Repressalien zu befürchten, da man seine Rechte wahrnimmt. Man macht ja nichts Falsches und auch in moralischer Hinsicht ist nichts als verwerflich anzusehen. Jedoch ist es nicht auszuschließen, dass gerade, wenn man an den selben Prüfer gelangt, dieser vielleicht doch etwas genauer hinschaut und besondere Maßstäbe ansetzt, dass kann man nicht verhindern. Wir haben einige Mandanten, die in solchen Verfahren den Prüfungsanspruch erstritten haben und zusätzlich die Hochschule gewechselt haben, zu wechseln ist eine denkbare Möglichkeit.
Wie man sich letztendlich entscheidet, wird immer ein bisschen vom Prüfer abhängig gemacht. Das liegt natürlich in der Natur des Einzelnen, manche Prüfer gehen damit gelassen um, andere nehmen es eventuell persönlich und fühlen sich angegriffen, wenn man ihre Entscheidungen gerichtlich überprüfen lässt. Aber da ist noch eine weitere Sache, die ich in den Raum stellen möchte. Häufig ist es so, dass die Hochschulen Angst haben, in irgendeiner Weise mit Kosten belastet zu werden. Aus diesem Grund haben wir uns des Öfteren auch in Verfahren, wo es vielleicht nicht unbedingt rechtlich durchsetzbar wäre einen weiteren Prüfungsversuch zu bekommen, mit der Hochschule geeinigt.
Wenn man ein bisschen zu den Problemen vortragen kann, aus denen sich die mangelhafte Prüfungsleistung ergab, also besondere Umstände geltend macht, sind die Hochschulen oft bereit noch einen weiteren Prüfungsversuch zu gewähren, da sie befürchten aus diesem Verfahren mit Kosten hervorzugehen. Folgerichtig sollte man sich zumindest mit einem Anwalt darüber unterhalten, dieser kann abschätzen, welche Hochschulen diesbezüglich kooperationsbereit sind und seine Erfahrungen einbringen. Möglicherweise kann man dann seinen Studienwunsch letztlich doch noch zu Ende führen, obwohl man sonst mit einem endgültigen Nichtbestehen konfrontiert sein würde und das Studium ganz abbrechen müsste.
Sehr geehrter Herr Lamprecht, das Team von studieren.org dankt Ihnen für dieses Interview zum Prüfungsrecht!